Schriftenreihe „Exil-Kulturen“
Die Reihe „Exil-Kulturen“ nimmt neuere kulturwissenschaftliche Perspektiven auf und versammelt Forschungsarbeiten über die gesamte kulturelle Breite des Exils im 20. und 21. Jahrhundert. Der Fokus wird dabei auch auf (historisch und interkulturell) vergleichende Exilstudien gelegt, die das Verhältnis von Exil und Nation bzw. Nationalkultur oder Exil und Globalisierung in Moderne und Gegenwart in den Blick nehmen. Darüber hinaus werden Fragen der Remigration bzw. des Nach-Exils, Zusammenhänge von Exil und Entwürfen alternativer, zum Beispiel diasporischer oder kosmopolitischer Gemeinschaftskonzepte thematisiert. Ein besonderes Augenmerk gilt hier der Frage nach Exilerfahrungen und -entwürfen in jüdischer Tradition und Geschichte und ihren Aktualisierungen angesichts von Verfolgung und Vertreibung im 20. und 21. Jahrhundert.
Verlag: J. B. Metzler (zuvor edition text+kritik)
Herausgegeben von: Doerte Bischoff, Hamburg, Deutschland
Wissenschaftlicher Beirat: Bettina Bannasch, Augsburg, Deutschland | Johannes Evelein, Hartford, USA | Alfrun Kliems, Bielefeld, Deutschland | Mona Körte, Bielefeld, Deutschland | Paul Michael Lützeler, Saint Louis, USA | Primus-Heinz Kucher, Klagenfurt, Österreich
Luisa Banki, Juliane Sucker (Hsg.): Chronistin und Kritikerin der Moderne. Zum Werk Gabriele Tergits.
Exil-Kulturen 9
Gabriele Tergit (1894–1982) war bis 1933 eine der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Generation. Aus dem nationalsozialistischen Deutschland geflohen, fand sie jedoch im Exil kein Publikum mehr – obwohl sie kontinuierlich schrieb. Ihr vielseitiges literarisches und publizistisches Schaffen ist bis heute nur wenig bekannt und wissenschaftlich bearbeitet. Der vorliegende Band schließt an die in den letzten Jahren erfolgte ‚Wiederentdeckung‘ Tergits durch Neuauflagen und Nachlasseditionen an und dokumentiert die erste wissenschaftliche Tagung zu Tergits Schreiben.
Bei einem geteilten Interesse an Tergits chronistischem und kritischem Erzählen rücken die einzelnen Beiträge ganz unterschiedliche Werke und Werkgruppen aus verschiedenen Lebens- und Schaffensphasen in den Blick. Neben Reportagen und Feuilletons aus den Jahren der Weimarer Republik, den Romanen, ihren Entstehungsbedingungen und ihrer oft schwierigen Rezeption, werden bisher weitgehend unbekannte, zu großen Teilen unveröffentlichte Texte aus dem Exil und der Nachkriegszeit diskutiert und Tergits Selbstpositionierung als Exilautorin sowie ihre oft auch konflikthaften Bezüge zum zeitgenössischen Literaturbetrieb analysiert.
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Carla Swiderski: Der Mensch spiegelt sich im Blick der Tiere. Auflösung und Neudefinition des Menschen in der Exilliteratur
Exil-Kulturen 8
Was ist der Mensch und wie verhält er sich zum Tier? Diese in ethischen, gesellschaftlichen, philosophischen und ästhetischen Diskursen debattierte Frage stellt sich im 20. Jahrhundert angesichts der NS-Diktatur und ihrer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in einem besonders bedrohlichen Umfeld. Wie wirkt sich dies auf das Verständnis von Mensch und Tier aus? Die Arbeit untersucht Mensch-Tier-Konstellationen in fiktionalen und theoretischen deutschsprachigen Exiltexten, u.a. von V. Klemperer, A. Bein, H. Arendt, M. Horkheimer & T. W. Adorno, H. Broch, O. M. Graf, A. Kerr, H. Domin und H. Sahl.
Sandra Narloch: Zwischen Weltbürgertum und Neuem Kosmopolitismus. Verhandlungen übernationaler Gemeinschaft und Zugehörigkeit in der Exilliteratur
Exil-Kulturen 7
Unter dem Schlagwort eines ,Neuen Kosmopolitismus’ plädieren Theoretiker*innen verschiedener Disziplinen seit Beginn des 21. Jahrhunderts für eine kritische Wiederaufnahme und Aktualisierung des Kosmopolitismusbegriffs. In der Debatte wird die wesentliche Bedeutung betont, die dem Exil in Bezug auf die Ausbildung kosmopolitischer Praktiken und Haltungen zukommt. Die Studie bringt nun die dabei bislang stark unterbelichteten literaturwissenschaftlichen Perspektiven mit einer Relektüre von Werken von Irmgard Keun, Joseph Roth, Peter Weiss, Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger und Thomas Mann zur Geltung.
Jasmin Centner: Journey of no return? Narrative der Rückkehr im Kontext von Gewalt und Vertreibung im 20. und 21. Jahrhundert
Exil-Kulturen 6
Diese literaturwissenschaftliche Studie beschäftigt sich mit Rückkehrerzählungen, denen eine gewaltvolle Vertreibung vorausliegt. Erfahrungen der erzwungenen Entortung und der anschließenden Rückkehr prägen nicht nur die Handlung von Texten, sondern wirken sich auch auf die Ästhetik der Narrationen aus. Die acht untersuchten Erzähltexte (u.a. von Anna Seghers, Abbas Khider, Peter Weiss, Primo Levi, Herta Müller und Doron Rabinovici) befragen (Un-)Möglichkeiten der Rückkehr aus unterschiedlichen Perspektiven. Texte, die vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vertreibungspolitik entstanden sind, werden mit aktuellen Erzählungen in Verbindung gesetzt. In vier thematischen Sektionen (u.a. Rückkehr aus dem Exil, aus dem Lager sowie nach Palästina/Israel) wird gezeigt, dass die Rückkehr in unterschiedlichen Kontexten ähnliche Erzählmuster hervorbringt sowie Vorstellungen von Heimat und Ursprünglichkeit problematisiert.
Philipp Wulf: „Aber Tote weinen nicht“. Komisches Schreiben im Nachexil bei Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler
Exil-Kulturen 5
Die Studie analysiert die Ästhetik des Komischen in Texten von Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler, in denen die nach 1945 gewandelte wie fortdauernde Erfahrung der Exilierung – die Konstellation des Nachexils – thematisch wird. Die Arbeit widmet sich sowohl der Erschließung der Kategorien Heimat und nationale Identität als auch der bis heute kontroversen Erforschung der Komik, die insbesondere in der Exilliteratur als unkonventionell zu gelten hat. – Die Primäranalysen nehmen ein heterogenes Textkorpus aus Prosaminiaturen, Liedtexten, Romanen und einem Theaterstück in den Blick: Die Gleichzeitigkeit von Selbstverlachung und Selbstbehauptung bei Drach steht neben den Komisierungen der Kommunikation zwischen Remigrant/innen und Nicht-Exilierten bei Polgar und der pessimistischen Gesellschaftskritik Kreislers.
Lydia J. White: Theater des Exils. Bertolt Brechts „Der Messingkauf“. Stuttgart 2019
Exil-Kulturen 4
Der Band ist die erste monothematische Studie zu Bertolt Brechts „Messingkauf“, seinem wichtigsten Versuch, eine Theorie seines Theaters zu verschriftlichen. Der erste Teil stellt eine Rekonstruktion der Entstehungs-, Überlieferungs- und Editionsgeschichte des Fragments dar, inklusive seiner Bearbeitung durch das Berliner Ensemble. Der zweite Teil greift die verschiedenen theatergeschichtlichen Schauplätze auf, denen die Gespräche des „Messingkaufs“ gewidmet sind. Letztlich wird gefragt, was Brecht daran gehindert hat, seinen Text zum ästhetischen Abschluss zu bringen. Dabei wird der „Messingkauf“ zum ersten Mal als Exiltext gelesen.
Sonja Dickow: Konfigurationen des (Zu-)Hauses. Diaspora-Narrative und Transnationalität in jüdischen Literaturen der Gegenwart. Stuttgart 2019
Exil-Kulturen 3
Die komparatistische Studie arbeitet anhand von Parallellektüren deutsch-, englisch- und hebräischsprachiger Gegenwartstexte den Befund heraus, dass gerade an der Konfiguration des immobilen Hauses Mehrfachverortung und Grenzüberschreitung verhandelt werden. Das Zuhause verliert durch die Zerstörungen der Shoah und die Exilerfahrungen der jüdischen Figuren seine Funktion als Heimat und Ort der Stabilität und Kontinuität. Erinnerndes Erzählen und Traditionen des diasporischen Schreibens werden dagegen als Orte der Zugehörigkeit diskutiert. Der in der mehrsprachigen jüdischen Literaturgeschichte ohnehin angelegte Transnationalitätsdiskurs wird in Untersuchungen zu Nicole Krauss und Anna Mitgutsch, Jenny Erpenbeck und Eshkol Nevo, Michal Govrin und Barbara Honigmann aufgerufen.
Anne Benteler: Sprache im Exil. Mehrsprachigkeit und Übersetzung bei Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh. Stuttgart 2019
Exil-Kulturen 2
Die Monographie untersucht Sprachkonstellationen in der Literatur des Exils aus NS-Deutschland seit 1933. Im Fokus stehen mehrsprachige Texte von Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh. Die Kombination eines kulturwissenschaftlich geprägten Übersetzungsbegriffs mit Ergebnissen linguistischer Mehrsprachigkeitsforschung macht zwei höchst aktuelle Wissenschaftsdiskurse für die Analyse von literarischen Textphänomenen produktiv. Die Untersuchung erweist, dass die Texte Domins, Kalékos und Lansburghs durch Sprachreflexion, Code-Switchings und Sprachmischungen bestimmt sind. Die Vorstellung einer monolingualen Literatursprache und Nationalliteratur wird dadurch infrage gestellt und es zeigt sich, dass die meist biografisch argumentierenden Vorstellungen von Sprachbewahrung und Sprachverlust im Exil durch alternative Entwürfe von Exilliteratur als translingualem und translationalem Reflexionsraum zu ergänzen sind.
Sebastian Schirrmeister: Begegnung auf fremder Erde. Verschränkungen deutsch- und hebräischsprachiger Literatur in Palästina/Israel nach 1933. Stuttgart 2019
Exil-Kulturen 1
Begegnung auf fremder Erde nimmt eine neue Perspektive ein, sieht sie als Teil des „Jewish literary complex“ (Dan Miron) und fragt nach ihrer Beziehung zum hebräischen Literaturbetrieb. Basierend auf umfangreichen Archivrecherchen sucht die Studie drei deutsch-hebräische Konstellationen auf: in der Anthologie, in der Übersetzung und in der variantenreichen Erzählung der Einwanderung. Die untersuchten Texte (u.a. von Max Brod, M. Y. Ben-Gavriêl, Josef Kastein, Baruch Kurzweil und Amos Oz) erweisen sich dabei als durchaus kritische Auseinandersetzung mit dem „zionistischen Masternarrativ“ (Gershon Shaked) von der sozialen und kulturellen Erlösung des jüdischen Volkes im Gelobten Land.