Weitere Publikationen
Svetlana Arnaudova, Doerte Bischoff (Hrsg.): Figuren des Transnationalen. (Re-)Visionen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Thelem 2020
Die Konferenz zu »Figuren des Transnationalen« in der deutschsprachigen Literatur, die im Oktober 2017 in Sofia stattfand, stand im Kontext einer langjährigen Partnerschaft und Kooperation des Instituts für Germanistik der Universität Hamburg und des Germanistischen Instituts der St. Kliment-Ochridski-Universität in Sofia, in deren Rahmen in der Vergangenheit bereits zu Themenkomplexen wie Nationalkultur und Interkulturalität oder Kulturtransfer und Intertextualität zusammengearbeitet wurde.
Im Band wird auch danach gefragt, ob und inwiefern Sprachen als ein trennendes oder verbindendes Element in transnationalen Prozessen in Erscheinung treten und welche Rolle hier Formen und Figuren der Übersetzung spielen, die ihrerseits kulturelle und politische Implikationen haben. Figuren, die als exemplarische Akteure des Transnationalen in den Blick kommen, wird einerseits häufig das Potential zugeschrieben, begrenzte und exkludierende Perspektiven überwinden zu können.
Doerte Bischoff, Susanne Komfort-Hein (Hrsg.): Handbuch Literatur & Transnationalität. Berlin/Boston: De Gruyter 2019
Das Verhältnis von Literatur und Transnationalität ist bislang vornehmlich in Einzelstudien thematisiert worden. Das Handbuch führt erstmals systematisch und historisch die aktuell diskutierten Forschungsperspektiven und den in verschiedener Hinsicht erprobten besonderen Erkenntniswert des Begriffs der Transnationalität– etwa gegenüber Internationalität und Transkulturalität – für die kulturwissenschaftlich fundierte Literaturforschung zusammen. In einer Vielzahl von Beiträgen zu theoretischen Grundlagen und methodischen Konzepten dokumentiert der Band, dass die Konjunktur des Begriffs – in Soziologie, Ökonomie, Politik- und Geschichtswissenschaft, Migrations- und Urbanitätsforschung – mittlerweile auch die Literaturwissenschaften erreicht und ein interdisziplinär äußerst produktives Forschungsfeld eröffnet hat. Überblicksdarstellungen und Einzelanalysen reflektieren Wirkmächtigkeit und Grenzen nationalliterarischer Kategorisierung in Literaturen der Gegenwart wie in historischer Perspektive und führen exemplarisch Formen und Verfahren transnationaler Literatur vor.
Ildikó Felbinger, Sophie Fetthauer: „Ich glaube an Europa, ich glaube sogar an ein anderes Deutschland“. P. Walter Jacobs Remigration und seine Intendanz an den Städtischen Bühnen Dortmund 1950–1962. Münster: Waxmann 2018
Davon überzeugt, einen Beitrag zum Wiederaufbau der deutschen Kultur leisten zu können, übernahm der Theaterkünstler P. Walter Jacob nach siebzehn Jahren des Exils 1950 das Amt des Intendanten der Städtischen Bühnen Dortmund. Diktatur und Krieg hatten die deutsche Gesellschaft und mit ihr die Theaterlandschaft stark verändert, so dass er manche seiner Vorstellungen in der konkreten Arbeit revidieren und sich unterschiedlichsten Konflikten stellen musste.
Anhand ausgewählter Themen spannt die vorliegende Studie einen weiten Bogen, in dem die Vorbereitung der Remigration, die Umstände von Jacobs Wahl und die Auseinandersetzungen um seine Stellung als Intendant, Fragen des Theaterkonzepts sowie der Wiedergutmachung betrachtet werden. Gleichsam nebenher ergibt sich ein Bild von der Nachkriegsgesellschaft in Westdeutschland, von den Arbeitsbedingungen in einer kriegszerstörten Stadt sowie vom Theaterbetrieb und seinen Verflechtungen mit städtischer Verwaltung und Presse. Deutlich werden auch der nach wie vor virulente Antisemitismus und die Mechanismen des Verschweigens der jüngsten Geschichte.
Die Studie ist das Ergebnis eines langjährigen Forschungsprojektes am P. Walter Jacob Archiv der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur und wurde von der P. Walter Jacob Stiftung finanziert.
Doerte Bischoff (Hrsg.): Exil – Literatur – Judentum. München: text+kritik 2016
Am Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem Erfahrungen von Vertreibung, Exilierung und Migration von immer mehr Menschen geteilt werden, kommen vielfach spezifisch jüdische Exiltraditionen und Gemeinschaftskonzepte auf neue Weise in den Blick. Stellen die mit diesen Traditionen verknüpften Konzepte von Diaspora, Kosmopolitismus und Mehrsprachigkeit Alternativen zu nationaler Orientierung und Assimilationserwartungen dar, die sich für die europäischen Juden spätestens nach 1933 als fatale Sackgasse erwiesen hatten?
Der Band Exil − Literatur − Judentum versammelt eine Vielzahl von Perspektiven auf jüdische Auseinandersetzungen mit Exilerfahrungen und -konzepten, wobei mit dem Fokus auf deutschsprachige jüdische Intellektuelle und Literaten, die vor dem Nationalsozialismus ins Exil flohen, immer auch die Frage nach Traditionsbrüchen und den Grenzen der Übertragbarkeit und Verallgemeinerbarkeit jüdischer Geschichte(n) zur Diskussion gestellt wird.
Andreas Stuhlmann: Vater Courage. Reinhold K. Olszewski und die Deutschen Kammerspiele in Lateinamerika 1949-1974. München: belleville 2016
Die Deutschen Kammerspiele waren zwischen 1949 und 1974 nicht nur ein Leuchtturm deutscher Kultur in Lateinamerika und ein Aushängeschild westdeutscher Kulturpolitik. Sie waren auch ein organisatorisches, politisches und finanzielles Wagnis und der Lebenstraum eines charismatischen Abenteurers und Theatermannes. Reinhold K. Olszewski gründete und leitete zunächst in Santiago de Chile, dann in Buenos Aires diese Bühne, die jedes Jahr für fast acht Monate unter teils chaotischen Bedingungen und Strapazen knapp 30.000 Kilometer kreuz und quer durch Mittel- und Südamerika tourte und dabei eine Fläche so groß wie Australien bespielte. In den 25 Jahren ihres Bestehens brachten mehr als 170 Ensemblemitglieder etwa 120 Stücke in 18 Ländern auf die Bühne.
Das Repertoire der Deutschen Kammerspiele reichte von Klassikern wie Goethe und Schiller, Shakespeare und Büchner zu den Publikumslieblingen des Boulevards wie Curt Goetz oder Ralph Benatzky, es umfasste aber auch das anspruchsvolle, politische und zeitkritische Theater von Bertolt Brecht bis zu Peter Weiss, Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Zum Erfolgsrezept gehörten darüber hinaus die großen Namen der internationalen Theater-Moderne, wie Tennessee Williams, Arthur Miller, Jean-Paul Sartre und Eugène Ionesco.
Gespielt wurde auf Deutsch, im Publikum saßen die Nachfahren jener Auswanderer, die im 19. Jahrhundert die ›Kolonien‹ gegründet hatten, in denen deutsche Sprache und Kultur bis heute lebendig sind, neben deutschsprechenden Latinos und jüdischen Flüchtlingen, die nach 1933 aus Deutschland entkommen waren, und jenen, die teils als gesuchte Kriegsverbrecher nach 1945 Europa verlassen hatten. Für die Zuschauer stellten die Gastspiele des Theaters in der Regel einen kulturellen Höhepunkt des Jahres dar.
Grundlage dieser Publikation waren die Materialien im Nachlass von Reinhold K. Olszewski, der sich im P. Walter Jacob Archiv befindet.
Doerte Bischoff, Miriam N. Reinhard, Claudia Röser, Sebastian Schirrmeister (Hrsg.): Exil Lektüren. Studien zu Literatur und Theorie. Berlin: Neofelis 2014.
Dass das historische Exil der Jahre 1933 bis 1945 einen zentralen Platz im kulturellen Gedächtnis beanspruchen sollte, ist seit den späten 1960er Jahren ein zentrales Anliegen der deutschen Exil(literatur)forschung. Am Beginn des 21. Jahrhunderts, an dem es kaum noch Zeitzeugen des Nationalsozialismus und des durch ihn erzwungenen Exils gibt, stellt sich die Frage nach den Foren und Formen eines solchen Erinnerns mit neuer Dringlichkeit. Sollen die in Archiven gesammelten historischen Dokumente und Zeugnisse zum Sprechen gebracht werden, müssen sie immer auch mit aktuellen Debatten und Kontexten vermittelt werden. Auf diese Weise erhalten auch Texte der ‚klassischen‘ Exilliteratur einen Platz in den Lebens- und Lesewelten einer jüngeren Generation.
Dieser Band versammelt Beiträge von Absolventinnen und fortgeschrittenen Studierenden der Universität Hamburg, die sich in Seminaren und Abschlussarbeiten aus aktueller Perspektive mit unterschiedlichen Aspekten des Verhältnisses von Exil und Literatur auseinandergesetzt und ihre Überlegungen im Rahmen eines Studientags der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur öffentlich präsentiert haben.
Doerte Bischoff, Susanne Komfort-Hein (Hrsg.): Literatur und Exil. Neue Perspektiven. Berlin: De Gruyter 2013.
Hat sich im germanistischen Kontext die Exilforschung bislang auf das Exil aus Nazideutschland 1933–45 beschränkt, so geben die in diesem Band versammelten Beiträge neue Impulse zu interdisziplinären und komparatistischen Exilstudien, die Referenzkategorien wie Heimat oder Nation grundsätzlich problematisieren. Vor dem Horizont aktueller Tendenzen von (Massen-)Migration und Globalisierung werden historische Konstellierungen von Exil und Migration, Exil und Diaspora, Exil und Transnationalität in den Blick genommen, wobei vielfach ausdrücklich Bezüge zu jüdischen Erfahrungen und Traditionen des Exils reflektiert werden. Im Fokus stehen dabei u.a. Korrespondenzen zwischen Texten, die ausdrücklich das Exil 1933–45 bezeugen, und neueren Texten, in denen Exil und Transkulturalität in engem Bezug aufeinander verhandelt werden. Einerseits loten die Beiträge die Produktivität unterschiedlicher kulturtheoretischer Paradigmen (z.B. Postkolonialismus, Traumaforschung, Übersetzungstheorie u.a.) für eine zeitgemäße Exilforschung aus. Andererseits werden die Grenzen der Übertragbarkeit von Theorien und Modellen aufgewiesen sowie Möglichkeiten diskutiert, der Spezifität und Singularität von Erfahrungen gerecht zu werden.
Rolf Jacobi: Die Heimat verloren – die Freiheit gewonnen. Autobiografie. Hrsg. von der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur. Hamburg 2012.
Die Lebensgeschichte von Ernst-Rudolf (Rolf, Rodolfo) Jacobi ist eine Geschichte der erzwungenen Emigration: Am 22. November 1938 bestieg der in Hamburg aufgewachsene Siebzehnjährige zusammen mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder ein Schiff, das die Familie nach Montevideo (Uruguay) brachte. In Buenos Aires, wohin er als junger kaufmännischer Angestellter aus beruflichen Gründen 1943 ging, fand er sechzig Jahre lang eine zweite Heimat – er etablierte sich wirtschaftlich im Fleischexportgeschäft, nahm regen Anteil am politischen Leben, vor allem aber an der jüdischen Gemeindearbeit und gründete eine Familie. Heute lebt er in Israel, wohin er 2003 zusammen mit seiner Frau Ruth übersiedelte und wo auch ein Großteil ihrer Angehörigen lebt.
In den vorliegenden autobiografischen Notizen Jacobis erscheint das Exil gerade in der langfristigen Perspektive, die der Blick zurück auf ein langes Leben als (mehrfacher) Emigrant gewährt, als mindestens doppelgesichtig: als lebenslang empfundener Verlust und als Chance, nicht nur die Freiheit von Unterdrückung und Verfolgung, sondern auch Freiheiten des Denkens und des Handelns zu gewinnen.
Sebastian Schirrmeister: Das Gastspiel. Friedrich Lobe und das hebräische Theater 1933-1950. Berlin: Neofelis 2012.
Friedrich Lobe (1889–1958) gehörte zu den wenigen aus Deutschland geflüchteten Theatermachern, die im hebräischen Theater in Palästina Fuß fassen konnten. Nach seiner Einwanderung 1933 für eine erste Inszenierung von Dantons Tod am Tel Aviver Arbeitertheater Ohel engagiert, führte Lobe bis zu seiner Rückkehr nach Europa 1950 bei dreißig Produktionen Regie, veröffentlichte zahlreiche Zeitungsartikel und schrieb nicht zuletzt zwölf eigene dramatische Texte.
Auf Grundlage umfangreicher Archivrecherchen untersucht Sebastian Schirrmeister erstmals die besonderen Konstellationen, die sich aus Lobes Emigration nach Palästina ergaben und die sich in seinen Aktivitäten und Texten widerspiegeln: Ein arrivierter deutscher Theaterkünstler traf auf ein im Aufbau befindliches, von russischen Emigranten und zionistischer Ideologie beherrschtes hebräisches Theater. Er musste sich in der neuen Umgebung, die sich im Spannungsfeld von Migration, Kulturtransfer und der Konstruktionsarbeit an einer neuen Nationalkultur konstituierte, behaupten. Ein einst bekannter Schauspieler wurde, der Sprache des Landes nicht mächtig, zum Dramatiker und konnte nur mithilfe von Übersetzung und Maskerade Eingang in das bereits besetzte kulturelle Feld finden.
Diese Arbeit wurde 2013 von der Universität Hamburg mit dem Joseph Carlebach-Preis ausgezeichnet.